Auf der #mvw23 – Ein Arbeitszeitkongress hatten 120 TeilnehmerInnen aus Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern die Gelegenheit, ihre Erfahrungen, Ideen und Lösungen mit anderen Unternehmen und Experten zu teilen und durch fachliche, praxisnahe Impulse neue Lösungsansätze für ihren Betrieb mitzunehmen. Das Programm am 27. März 2023 im Schlosshotel Hasenwinkel umfasste Impulse und Workshops zur rechtlichen Ausgangslage, zu Regelungsbeispielen aus allen Landesteilen und zu regionalen, digitalen Lösungen zur Arbeitszeiterfassung.

Hier geht es zu den Impressionen des Tages und zum Programm.

Die öffentliche Diskussion über das Modell der 4-Tage-Woche, Flexibilität bei der Arbeitszeitplanung für Beschäftigte und Unternehmen selbst im Schichtbetrieb, Langzeitkonten, Teilzeitmodelle, und die dazu passenden digitalen Zeiterfassungssysteme – der Wandel der Arbeitsgesellschaft stellt die Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern vor Herausforderungen. Wachsenden Personalengpässen wird häufig mit langen Wochenarbeitszeiten begegnet, hingegen suchen viele MitarbeiterInnen nach mehr Flexibilität, Freiraum zur Selbstorganisation und grundsätzlich weniger Arbeitsbelastung. Der Jahreskongress des Kompetenzzentrums Arbeit 4.0 in Mecklenburg-Vorpommern (mv-works) beschäftigt sich in diesem Jahr ausführlich mit dem Thema Arbeitszeit und den neuen Formen ihrer Ausgestaltung.

Stimmen aus Mecklenburg - Vorpommern.

Im Vorfeld des Arbeitszeitkongresses haben wir mit der Videokamera auf den Straßen und in Betrieben des Landes zahlreiche Arbeitnehmer*innen-Stimmen eingefangen, die uns darüber erzählen, wie Beschäftigte in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten wollen. Als Einspieler bereicherten die authentischen Stimmen die Diskussionen und Impulsbeiträge des Kongresses.

Rechtlicher Rahmen

Agilität und Arbeitszeit

In ihrem Impulsvortrag "AGILITÄT & ARBEITSZEIT // Spielräume erschließen und rechtlich ausgestalten" gab Britta Redmann, Rechtsanwältin und Buchautorin, einen Überblick über den aktuellen Rechtsrahmen und den Spielraum der Arbeitszeitausgestaltung - immer in Bezug auf das Thema einer agilen Organisation. Folgend einige Impressionen aus dem Impulsvortrag von Britta Redmann: 

Was ist in der Praxis nach dem BAG Urteil vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21) zu beachten? 

Die Arbeitszeiterfassung ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtend! - die Frage des „ob“ stellt sich daher nicht mehr. Zudem ist allein die Einführung einer Zeiterfassung nicht ausreichend. Sie muss genutzt werden, dafür muss der Arbeitgeber aufgrund seiner Organisationspflicht und Kontrollpflicht sorgen. Die Zeiterfassung ist nicht zwingend elektronisch durchzuführen. Die Aufzeichnungspflicht kann auch auf die betreffenden MitarbeiterInnen deliegert werden. Zudem ist die Wahl der Lage und der Dauer der Arbeitszeit durch Mitarbeitende nicht eingeschränkt (Vertrauensarbeitszeit ist möglich). Britta Redmann rät zur Aufstellung verbindlicher Regelungen, die gemeinsam mit den MitarbeiterInnen abgestimmt werden. Wichtig ist, dass sich Dauer und Verteilung der Arbeitszeit im gesetzlichen Rahmen bewegen. Die Regelungen selbst sowie die Kommunikation darüber müssen transparent, klar und eindeutig sein.

Transparente + einheitliche + klare Regelungen?

Um zu prüfen, ob ihr transparente und klare Regelungen habt, die ein gutes und betriebsgerechtes Miteinander unterstützen, sind folgende Fragestellungen hilfreich: 

  • Sind unsere Präsenzzeiten klar definiert?
  • Sind wir verbindlich miteinander?
  • Sind wir veränderungsoffen?
    d.h.: Checken wir regelmäßige unsere Produktivität und Stimmung im Team?
  • Steht das „Wir“ im Vordergrund
    (denn Arbeitszeit gelingt nur gemeinsam!)

Brittas drei Merksätze dazu:

1. „Nur“ das Modell reicht nicht für eine gute Zusammenarbeit.

2. Bindung entsteht durch Beziehung.

3. Habt Mut zum Ausprobieren.

 

Zum Weiterlesen hier noch ein Lesetipp von Britta Redmann: 
Wir müssen über Zeit reden – Vom Zeitgefühl zum „Arbeitszeitgefühl“

zum Blockbeitrag

Branchenbeispiele aus M-V

Handwerk I Hotellerie I Gesundheit I M&E Industrie

In einer durch mv-works-Projektleiter Axel Fick moderierten Diskussionsrunde "Neue Arbeitszeitmodelle in M-V - Wie betriebliche Anforderungen und Mitarbeiter*inneninteressen zusammenfinden" konnten die KongressteilnehmerInnen Eindrücke aus den gelebten Betriebsmodellen erfahren und auch Fragen stellen. Es berichteten 

über ihre Erfahrungen u.a. mit der 4-Tage-Woche, dem Aufbau eines flexiblen Mitarbeiter*innenpools in der Universitätsmedizin, über die Herausforderungen im Hotel- und Gaststättengewerbe bei kleinen Teams und 24/7-Service sowie über ihre jeweiligen mitarbeiter*innenzentrierten Arbeitszeitmodelle. 

Einblicke in die betriebliche Ausgestaltung von Arbeitszeitmodellen in der M+E-Industrie Mecklenburg-Vorpommerns haben die Teilnehmer*innen durch die Unternehmensvertreter*innen von ZF Airbag Germany, Lear Corporation Wismar sowie der Metallwarenproduktion Lang aus Woldegk/Neubrandenburg erhalten. Vor Orten waren:

Die Entwicklung von mitarbeiterorientierten Zeitmodellen für den Schichtbetrieb wurde u.a. durch die 2017 mit dem Betriebsrätepreis ausgezeichnete Betriebsvereinbarung bei Lear vom Betriebsratsvorsitzenden Andreas Schulz den Kongressteilnehmenden vorgestellt.

Workshops

Rechtliche Ausgestaltung I Flexibilisierung im Schichtbetrieb I Digitale Tools

In drei paralell stattfindenen Workshops am Nachmittag konnten sich die TeilnehmerInnen zu den Themen Agile Arbeitszeitmodelle, Handlungshilfen für mehr Flexibilität im produktionsnahen Bereich sowie digitaler Lösungen zur Zeiterfassung und einer Mitarbeiter*Innenorientierten Einführung informieren. 

Wie können agile Arbeitszeitmodelle rechtssicher für Unternehmer*innen und Mitarbeiter*innen umgesetzt werden?

Die Ansprechparter*innen vor Ort waren u.a.: 

Britta Redmann (Rechtsanwältin · Mediatorin · Coach), Laudahnstr. 35, 50937 Köln, www.britta-redmann.de

Handlungshilfen und Tools für mehr Flexibilität im produktionsnahen Unternehmensbereichen

In einem Erfahrungsbericht von Betriebsleiter Jörg Monsig (Lang Metallwarenproduktion Neubrandenburg) und Veit Hartmann vom ifaa (Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e.V.) sowie Katrin Pape (vote2work) über das Forschungsprojektes MofaPro wurden die im Projekt entwickelten "Handlungshilfen und Tools für mehr Flexibilität im produktionsnahen Unternehmensbereichen" dargestellt und die ersten betrieblichen Ergebnisse aus dem Betriebsumfeld geteilt. Hierbei lernten wir niedrigschwellige Selbstchecklisten, komplexere Arbeitsplatzbewertungen und cloudbasierte Planungssoftwarelösungen kennen. Die Projektergebnisse sind veröffentlicht und über der Webseite des ifaa zugänglich. 

Hier geht es zu den Projektergebnissen

Die Ansprechpartner*innen vor Ort waren u.a.:

ifaa - Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V., Dipl.-Arb.-Wiss. Veit Hartmann M.A. - Fachbereich Arbeitszeit und Vergütung -, Uerdinger Str. 56, 40474 Düsseldorf, www.arbeitswissenschaft.net

Vote2Work GmbH I Dipl.-Ing. Katrin Pape (Geschäftsführerin), c/o Basislager Coworking, Richard-Wagner-Str. 1a, 18055 Rostock, www.vote2work.com

Digitale Planungs- & Zeiterfassungssysteme aus M-V und die Herausforderungen einer Mitarbeiter*innenorientierten Einführung

Unter der Überschrift "Digitale Planungs- & Zeiterfassungssysteme aus M-V und die Herausforderungen einer Mitarbeiter*innenorientierten Einführung" informierten die Softwareanbieter Artesa und Sawayo über ihre Lösungsansätze sowie über wichtige Bausteine einer erfolgreichen und Mitarbeiter*innenorientierten Einführung. 

Die Wegbausteine für die Einführung eines Zeiterfassungssystems können wie folgt aussehen:
(Quelle: Sawayo)

  1. Verantwortliche bestimmen
  2. Arbeits-/Projektgruppe definieren
  3. Auswahl eines geeigneten rechtssicheren Tools
  4. Kostenlose Testphase vereinbaren
  5. Testphase in der Projektgruppe beginnen (ggf. schon erweitert um zusätzliche Anwender)
  6. Regelwerk erstellen (ggf. rechtlichen Rat einholen)
  7. Erkenntnisse umsetzen und Roll-Out-Plan festlegen
  8. In der Startphase Key-User als Ansprechpartner*innen festlegen
  9. Bis zur allgemeinen Akzeptanz im Unternehmen regelmäßige Feedback-Runden in der Projektgruppe

Hier noch mehr Tipps von Sawayo

Die Vorteile "einer saubere Zeiterfassung" sind laut Marvin Fink (Artesa), dass diese "nicht nur Arbeitszeiten liefert, sondern hilft, Prozesse besser kalkulieren und planen zu können". In Punkto Prozesse hat Marvin Fink noch einen wichtigen Hinweis: Bei der Einführung sollten die neuen digitalen Prozesse nicht allzu sehr vom bisherigen Ablauf abweichen, das erleichert die Akzeptanz bei der Einführung.

Hier noch mehr  Tipps von Artesa

Die Ansprechparter*innen vor Ort waren: 

Sawayo I The Entrepreneurs Wingman, Andreas Wieczorke (Co-Founder & CSO), C/O Basislager, Richard-Wagner-Straße 1A, 18055 Rostock, www.sawayo.de

Artesa GmbH, Marvin Fink (Geschäftsführer / Leiter Vertrieb), Friedrich-Barnewitz-Str. 7, 18119 Rostock-Warnemünde, https://www.artesa.de/